Berichte von 07/2021

Samstag, 31.07.2021

Erste Abenteuer (Teil 2)

Und weiter geht's...

Sa, 31.07. - The Ring of Kerry (+ Skellig Ring)

Es ist Samstagmorgen und ich lasse es nach der langen und erholsamen Nacht gaaanz gemütlich angehen. Erstmal ist Frühstücken angesagt. Das ist dann nicht ganz so gemütlich, weil der kleine Frühstücksraum ganz schön mit Leuten vollgepackt und entsprechend laut ist. Ich verzichte auf das volle Irische Frühstück (Würstchen, Speck, Rührei und "Black and white pudding"), verlasse meine Frühstücks-Komfortzone aber trotzdem und bestelle einen mit Käse überbackenen Toast, der mit warmer Tomate und Bohnen gereicht wird, dazu gibt es natürlich Schwarztee. Nunja, ich würde sagen, man nimmt was man kriegen kann und ist selbstverständlich tolerant gegenüber anderen Kulturen.

Gestern Nachmittag habe ich mich noch ein wenig schlau gegoogelt, um etwas mehr über die "Must Sees" in Killarney und Umgebung und auf dem Ring of Kerry zu erfahren und meine Route zu planen. Die Route selbst musste ich eigentlich nicht wirklich planen, was mein Glück ist, denn Orientierung, Karten, Routen und ich, wir waren ja bekanntlich noch nie Freunde.
Der Ring of Kerry ist eine 179 km lange Küstenstraße im County Kerry, die bei Touristen sehr beliebt und bekannt dafür ist, die unterschiedlichsten und schönsten Landschaften Kerrys bzw. ganz Irlands in sich zu vereinen. Wie der Name schon vermuten lässt, bildet die Straße einen Ring, sodass man wieder dort auskommt, wo man gestartet ist, und dabei ohne groß nachzudenken alle Sehenswürdigkeiten abklappern kann. Im Laufe des Vormittags stelle ich zudem erfreut fest, dass nicht nur der Ring selbst, sondern auch die Sehenswürdigkeiten bestens ausgeschildert sind (manchmal muss man wenige Kilometer von der Hauptstraße abfahren, um zu den Aussichtspunkten etc. zu gelangen). Wie für mich gemacht!

Nach einiger Hin- und Herpackerei und dem letzten verzweifelten Versuch, meine Schuhe trocken zu föhnen, sitze ich also um 10:45 Uhr im Auto und mache mich auf den Weg.
Heute gilt: Der Weg ist das Ziel!
Meinen ersten geplanten Stopp überspringe ich direkt, denn siehe da - es regnet. Ich glaube, ich bin echt ein wenig traumatisiert von dem Wetter gestern. Ich habe gefühlt regelrecht Angst davor, wieder zu frieren und habe wirklich, wirklich keine Lust, nass zu werden.
Stattdessen halte ich kurze Zeit später (es regnet nicht mehr) spontan an einem See an, auf den die Straßenschilder mich aufmerksam gemacht haben. Leider ist es recht grau und die Wolken hängen tief, sodass der Ausblick nicht der schönste ist. Dafür herrscht dort absolute Stille und ich bin für einen Moment ganz alleine - ich liebe es. Viel zu schnell nach meiner Ankunft erreichen aber auch zwei Familien den See - sie wollen offensichtlich angeln - und ich verkrümel mich direkt wieder. Ich bin echt nicht im Touristenmodus. Ich würde meine Stimmung eher als Igel-Modus bezeichnen. Irgendwie bin ich echt demotiviert von der Aktion gestern und außerdem tun mir mein Knie und ein Oberschenkel echt weh...

Die Landschaft wird nun immer hügeliger und weniger bewohnt, das gefällt mir. Ein, zwei Mal halte ich an, um einfach für eine Minute den Anblick zu genießen und ihn (ohne Erfolg) in Fotos festzuhalten. Dann erreiche ich mit ein wenig Rumgurkerei die Stone Forts bei Cahersiveen. Die Sonnenstrahlen, die sich gerade ihren Weg durch die Wolken gekämpft haben, sind herrlich warm und heben meine Stimmung etwas. So nehme ich mir also Zeit, die Landschaft um mich herum in allen Richtungen zu betrachten, auf den Stone Forts herumzuklettern und zu beobachten, wie der kleine Junge seiner noch kleineren Schwester beweist wie toll er schon klettern kann.

   

Mein Weg führt mich nun weiter bis runter an die Küste. Die Schilder in Richtung Portmagee (ein Ort, der auf meiner Liste stand) und die, die in Großbuchstaben "The Most Spectacular Cliffs in Kerry" rufen, kündigen einen Abstecher von 11 km an. Ich fahre also erst auf die Insel Valentia rüber, ein Stück den Berg hinauf, und parke mein Auto auf dem großen Wanderparkplatz dort. Hier bietet sich mir bereits der erste tolle Ausblick auf die raue Küste und die Skellig Islands. Ein Wanderweg führt zu einem Leuchtturm am Ende der Insel hoch, aber ich bin tatsächlich zu schlapp, um den 4,7 km langen Hin- und Rückweg auf mich zu nehmen. Ich schiebe es mal auf mein Knie. Ich gehe den Weg aber doch wenigstens ein Stück hoch, und sei es nur, um mir mal die Beine zu vertreten. Nicht den ganzen Weg zu gehen war auch eine weise Entscheidung, denn kurz bevor ich wieder am Auto bin, fängt es an zu nieseln.

Trotzdem blicke ich ein wenig sehnsüchtig den Booten hinterher, die zwischen dem Festland und den beiden Inseln Great Skellig und Little Skellig hin- und herfahen. Heute ist mir nicht danach, aber wenn die Zeit es zulässt, möchte ich nochmal herkommen und dort rüber fahren. Für viele Fans der Star Wars - Reihe könnte dies übrigens einem Ausflug in "weit entferne Galaxien" gleichkommen, da der Great Skellig als Drehort und Vorlage für ein Versteck von Luke Skywalker diente. Mich persönlich reizt aber tatsächlich mehr die Insel selbst und die mittelalterliche Klosterruine, die auf dem Nordgipfel der Insel liegt.

So, ich bin mir dann jetzt aber doch nicht sicher, ob das wirklich schon die Most Spectacular Cliffs waren, die man mir versprochen hat. Eine kurze Internetrecherche später hat sich mein Verdacht bestätigt und ich lasse mich nun von Google Maps zu den Kerry Cliffs leiten. Auch zu deren Füßen gibt es einen großen Parkplatz und man muss sogar Eintritt bezahlen, um sie begehen zu dürfen. Das mache ich brav und erklimme tapfer beide Enden des Schotterweges, der auf zwei Ausläufer der felsigen Küste führt und so Einblick in alle Ecken des Küstenstreifes ermöglicht. Ich finde den Anblick der kantigen, steilen Felswände durchaus beeindruckend und ich schaue mir auch eine Weile die Möwen an (die keine sind, wie ich später lerne), die ihre Kreise durch die Buchten ziehen. Und die zwei Kühe, die auf der Weide gleich neben dem Schotterweg stehen und sich wild und doch liebevoll abknutschen, ringen mir ein ehrliches Lächeln ab. Aber puh, irgendwie bin ich immer noch nicht in Stimmung. Ich weiß auch nicht, was los ist. Normalerweise sind schöne, bergige, grüne Landschaften für mich immer wie eine Droge und absoluter Gute-Laune-Garant. Aber heute irgendwie nicht. Ich schieße also einige obligatorische Fotos und setze mich dann wieder ins Auto.

      

Nach einem kurzen Blick auf die Beschilderung und die Karte im Navi beschließe ich, "einfach" dem Skellig Ring zu folgen, der mich automatisch zurück auf den Ring of Kerry führen wird und der noch einige schöne Blicke auf's Meer verspricht. Falscher Fehler. Die Landschaft ist zwar wirklich schön, aber von einfach kann wirklich keine Rede sein. Ich habe ja schon am Donnerstagabend auf dem Weg nach Kerry und auch auf den ersten Stücken des Rings so meine Erfahrungen mit irischen Landstraßen gemacht, aber das hier ist wirklich nochmal ein ganz neues Level! Viele der bisherigen Straßen haben mein deutsches Hirn schon in Alarmbereitschaft gesetzt, weil sie aussahen und sich anfühlten, als müsste am Anfang mindestens ein Durchfahrtsverbotschild "Anlieger frei", eher aber noch eins der Sorte "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" stehen. Hier auf dem Skellig Ring sind die Straßen, oder nennen wir es Wege, aber noch schmäler, noch hubbeliger und von noch mehr Gestrüpp gesäumt.
(Gestrüpp klingt böse. Die grünen Büsche sind immer wieder von Blumen mit bunten Blüten durchsäht und das sieht eigentlich sogar echt hübsch aus!)
Immerhin, alle paar hundert Meter gibt es Ausbuchtungen, die vielleicht 40cm breit sind. Die kann man dann nutzen, wenn einem ein Auto entgegenkommt, super. Nach dem 30. Ausweichmanöver denke ich dann nicht mehr jedes Mal, dass die beiden Autos niiiieeemals aneinandervorbeipassen. Ein Fortschritt. Ich frage mich aber die ganze Zeit, ob oder wie viele Kratzer mein schicker Wagen wohl von den ganzen Kuscheleinheiten mit den Büschen davontragen wird.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich komme nur unfassbar langsam vorwärts.
Und das "Ballinskelligs Castle", eine Burgruine, die ich mir ansehen wollte, finde ich irgendwie auch nicht. Aber ich habe inzwischen die alte Roadtrip-Playlist von Norwegen wieder herausgekramt und singe lautstark mit, während ich irgendwie anfange, die Achterbahnfahrt zu genießen.

Irgendwann gelange ich endlich wieder auf den Ring of Kerry und mache kurz darauf einen kurzen Stopp am Straßenrand kurz hinter Caherdaniel. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und schaue im Handy, wo ich mich gerade befinde. Ääääähm. Okay. Das war anders geplant. Es ist 16:40 Uhr und ich muss festellen, dass ich erst ein wenig mehr als die Hälfte der Strecke auf dem Ring of Kerry gefahren bin. Und ich hatte Sorge, ich könnte mich in meiner nächsten Unterkunft langweilen, weil ich nach höchstens 4 oder 5 Stunden mit dem Ring "fertig" bin...
Ich überlege hin und her. Das letzte Drittel des Rings soll nochmal richtig schön sein - eine Waldlandschaft - und ich hatte mir dort einige Seen, Ruinen und Wasserfälle rausgesucht, die ich mir wirklich gerne ansehen wollte. Aber Hand auf's Herz, das wird heute nichts mehr!
Ich breche meine Erkundungstour ab, fahre auf dem Ring ohne weitere Zwischenstopps bis nach Kenmare hoch, komme überraschender Weise sogar nochmal an Alice' Haus vorbei, und fahre von dort weiter in Richtung Osten. 3 Stunden später, ein kurzer Halt im Ortskern von Clonakilty, wo ich mir ein Abendessen zum Mitnehmen organisiere. Um kurz vor 8 Uhr komme ich dann endlich an dem BnB an, in dem ich mich für diese Nacht eingebucht habe. Halleluja, 9 Stunden "on the road" und ich glaube, davon bin ich gut und gerne 6,5 Stunden gefahren.

Das Abendessen - panierte Hähnchenbrust und aus frischen Kartoffeln gemachte, dicke Pommes - ist für mich heute eher Mittel zum Zweck als Genuss, auch wenn sie gut gemacht sind. Es folgen eine wohltuende warme Dusche und eine Runde Bett-Yoga. Und gelesen wird auch noch.
Verrückt, ich bin gar nicht so geplättet, wie man meinen sollte. Die Fahrerei habe ich trotz oder vielleicht sogar wegen der wirklich abenteuerlichen Umstände irgendwie echt genossen. Haha und ich will behaupten, mein Auto kann ich inzwischen ganz gut einschätzen. Das hat wirklich sehr treue Dienste geleistet und ich bin so dankbar, dass es ein Automatikgetriebe und die ein oder andere Pferdestärke hat! Mit meinem Micra hätte ich wohl nicht ansatzweise von Genießen reden können...
Learning of the Day: Wenn man einen Roadtrip macht, um die Landschaft zu bewundern, sollte man sich mindestens eine Begleitung suchen und die fahren lassen. Hier unten gleicht es jedenfalls einem Höllenfahrtskommando, wähend des Fahrens einen Blick nach rechts oder links zu riskieren.

Freitag, 30.07.2021

Erste Abenteuer (Teil 1)

Guten Abend ihr Lieben,
da ich ja nun schon soooo lange in Irland bin (wir schreiben Tag 17), habe ich mir gedacht, es ist nun wirklich mal an der Zeit, ein wenig das Land zu erkunden...
Seid ihr bereit für einen Bericht über Sturzbäche, Achterbahnfahrten, wilde Knutschereien, weit entfernte Galaxien und Großstadtfeeling?

Edit: Inzwischen habe ich beschlossen, aus meinem Reisebericht drei Blogeinträge zu machen. So hab ich etwas weniger Eile, fertig zu werden, und für euch ist es nicht so viel auf einmal zum Lesen.


Do, 29.07. / Fr, 30.07 - Anreise & Carrauntoohil Climb

Meine Reise beginnt Donnerstagnachmittag, als ich um 3 Uhr nachmittags im Büro schon meine sieben Sachen zusammenpacke und mich in den Wagen setze, um Sarah, ihre Schwester Niamh und Alana auf der Strecke Richtung Kerry in Portlaoise einzusammeln. Ursprünglicher Anlass für den Ausflug war die "4 Peaks Challenge", die unser Vorstand hier ins Leben gerufen hat: Sie wollen innerhalb von zwei Tagen 4 der höchsten Berge Irlands erklimmen und dabei Geld für die zwei Partner-Wohltätigkeits-Organisationen von Lidl Irland sammeln. Natürlich haben sie alle Mitarbeitenden herzlich dazu eingeladen (oder dazu aufgerufen), ebenfalls teilzunehmen.
(Für mich lief das in etwa so: zweiter Arbeitstag, Sarah schickt mir im Chat einen Link und schreibt: "Katja! Hier, für dich!" - Ich hatte wohl kaum eine Wahl...)
Als erstes - und für mich als einziges - steht der Carrauntoohil auf dem Plan, mit 1.038m der höchste Berg Irlands. Der liegt unten im Südwesten im County Kerry, ca. 4,5 Autostunden von Dublin entfernt. Neben uns Vieren sind außerdem noch Shane und Alice mit von der Partie, zwei Teamleiter aus der Abteilung. Unser großes Glück, denn Alice hatte angeboten, dass wir im Ferienhaus ihrer Familie übernachten und so wenigstens etwas Schlaf finden könnten. Das klang dann doch deutlich verlockender als die Variante, mitten in der Nacht in Dublin loszufahren und dann gleich loszuwandern. Denn da der Vorstand am Freitag ja noch einen anderen Berg erklimmen muss, ist für den Carrauntoohil der gemeinsame Abmarsch für 5 Uhr morgens vorgesehen.

Das Ferienhaus der Familie Cox liegt super abgelegen an einem Berghang, mitten im Grünen und ist echt super schön und großräumig. Shane und Alice sind schon anderthalb Stunden früher als wir angekommen, haben in der Zeit aber eines leider noch nicht festgestellt: es kommt kein Wasser aus den Leitungen. Ein paar Anrufe bei den Eltern und den Nachbarn später steht fest, dass das Wasser aufgrund eines Lecks in einer Leitung abgestellt worden ist und erst am Freitagmorgen um 6 Uhr wieder angestellt werden soll. Tjaaa, das stellt dann doch irgendwie ein Problem dar. Alice und ich fahren also nochmal zurück in den Ort, um Wasser in größeren Mengen zu kaufen. Ihr ist die ganze Sache unheimlich peinlich. Tatsächlich sorgt dieses, naja, Hindernis, im Laufe des Abends aber noch für reichlich Lacher, als darüber debattiert wird, welche Technik nun die richtige ist, um eine Toilette mit "externem" Wasser zu spülen, wie viel Wasser man zum Duschen benötigt, wie viel Liter der Heißwassertank wohl fasst und so weiter und so weiter.
Bald ergibt sich dann noch ein weiteres Drama: Alana hat ihre Lidl-Socken vergessen. Sie trägt ihre diversen Lidl-It-Pieces wirklich immer sehr gerne zur Schau und hatte sich die Wanderung und das Posieren mit ihren Socken schon lebhaft ausgemalt. Die Ärmste ist so dermaßen enttäuscht, sie ist wirklich den Tränen nahe. Sehr amüsant hingegen ist dann aber die Vorführung ihrer "Rucksack-Jacke". Die lässt sich entweder wie ein Turnbeutel tragen oder eben in eine Regenjacke umwandeln und Alana demonstriert uns dieses Wunder der Textiltechnik bzw. dessen Anwendung mit großer Begeisterung. Wir lachen wirklich viel an diesem Abend, das ist richtig schön! Da merke ich erst, wie mir so eine Gruppendynamik und die Stimmung, die dabei entstehen kann, im letzten Jahr gefehlt hat.
Nun ja, das ganze Theater führt dann leider auch dazu, dass wir nicht wie geplant um 9 Uhr, sondern eher um 11 Uhr in unseren (sehr bequemen!) Betten liegen. Der Wecker geht um 02:45 Uhr. Und einschlafen kann ich auch nicht gleich - beste Voraussetzungen!

 

Wenige Stunden Schlaf, eine weitere gute Stunde Anfahrt und ein wenig Verzögerung später. Es ist circa 05:45 Uhr, es dämmert inzwischen, die Tourguides haben uns eingewiesen und wir beginnen unsere Wanderung. Es regnet. Oh Wunder. Dabei waren wir angesichts der Vorhersagen wirklich optimistisch, dass wir (ansatzweise) trocken bleiben würden. Außer mir scheint es aber niemanden so wirklich zu stören, dass wir falsch gehofft haben.
Auf einem steinigen Weg mit moderatem Anstieg legen wir die ersten paar Kilometer zurück. Es hört immer mal wieder für wenige Minuten auf zu regnen, aber ich hab schon genug, außerdem ist es zu allem Überfluss auch noch ziemlich windig. Was bilde ich mir auch ein, als bekennende Schön-Wetter-Wanderin an der Atlantikküste Irlands wandern zu gehen... Den Gipfel können wir auch nicht sehen, der ist von dicken Wolken verdeckt. Aber, immerhin, der Blick die Hänge rechts und links hoch und der Blick zurück sind wirklich schön und beeindruckend.

        

Das zweite Drittel des Anstiegs hat es dann in sich - der Name "Devil's Ladder" sagt wohl alles. Okay, zugegeben, wenn man schon die ein oder andere Tour in den Alpen gemacht hat, ist dieser Abschnitt nicht ganz so furchteinfößend wie er klingt. Im Gegenteil, er trifft genau meinen Wander-Geschmack.
Der untere Teil der Devil's Ladder ist gewissermaßen ein Wasserfall, sodass wir nun also auch noch von unten nass werden. Die zweite Hälfte ist einfach nur felsig, wobei sich dank des anhaltenden Regens auch hier ein kleiner Sturzbach unter unseren Füßen seinen Weg bahnt. Inzwischen bin ich unglaublich genervt vom Regen. Meine sinkende Stimmung und Motivation kann leider auch nicht durch nette Unterhaltungen gehoben werden, denn wir müssen inzwischen alle schön hintereinander gehen und der Regen auf meiner Kapuze ist so laut, dass ich ohnehin Schwierigkeiten habe, meine irisichen Kollegen zu verstehen.



Nun ja, wir schaffen es alle unversehrt die "Leiter" hoch und machen uns an das letzte Stück Anstieg, das uns noch vom Gipfel trennt. Auch hier kraxeln wir durch ein frisch entstandendes Flussbett und es regnet und regnet und regnet. Und nein, es nieselt nicht. Es regnet. An dieser Stelle möchte ich ein großes Lob an meine Wanderschuhe aussprechen, die trotz des vielen Wassers von unten die bisherigen 2 Stunden dicht gehalten haben. Aber jetzt kapitulieren sie auch - meine komplett durchnässte Hose und der Regen sorgen schließlich doch dafür, dass sich meine Schuhe in Pfützen verwandeln, denn das Wasser kommt einfach von oben rein... So ist es wohl kein Wunder, dass mir einer der Tour-Guides beim nächsten Stopp nicht so recht abkaufen will, dass es mir "großartig" geht. Er freut sich aber, eine Deutsche mit Sinn für Humor anzutreffen. Alana pflichtet mir mit einem Lachen schließlich auch noch bei und erklärt: "Katja has only been in Ireland for two weeks now. She's having a great time!"

Die Gruppe (wir sind im Übrigen 28 Lidl-Mitarbeitende aus ganz Irland, sprich auch aus den Filialen und den Zentrallagern) wird zunehmend schweigsamer. Selbst als das Gipfelkreuz dann sehr unvermittelt vor uns auftaucht, hält es sich mit der Begeisterung bei den meisten in Grenzen. Allen ist inzwischen auch kalt, da uns der Wind zusätzlich zusetzt, vor allem, wenn wir stehen bleiben. Ausblick ist auch nicht, inzwischen können wir keine 50m weit mehr gucken. Ein, zwei Leute schaffen es aber, irgendwie ihre nassen Touchscreens zu bedienen und Fotos zu machen. Sehenswert sind die aber wohl alle nicht geworden.

Mehr oder weniger ohne Umscheife, aber vom kurzen Stopp trotzdem frierend, treten wir den Rückweg an. Zunächst so wie wir gekommen sind, am Einstieg zur Devil's Ladder führen uns die Guides dann aber vorbei, um uns einen etwas seichteren, aber trotzdem nicht wenig anspruchsvollen Abstieg zu ermöglichen. Ich bin wirklich fertig mit der Welt. Tatsächlich schafft mich die Wanderung körperlich auch viel mehr als ich erwartet habe. (Ich muss auch sagen, für mein Gefühl rennen wir total. Also wirklich unangenehm schnell. Und jeder, der schon mal mit mir wandern war, weiß, dass ich selbst normalweise nicht unbedingt im Sonntags-Spaziergang-Tempo unterwegs bin.) Für den seichten Abstieg müssen wir auch erst nochmal ein Stück den gegenüberliegenden Berg hoch, die Sichtweite liegt inzwischen ca. bei 25m und die Gruppe hat sich auseinandergezogen.


Ein letztes Mal lächeln für die Kamera!

Am Bergkamm klotzt der Wind dann nochmal richtig rein: Ich bin mir sehr sicher, dass das mit Abstand der stärkste Wind war, in dem ich je stand. Wir "Mädels" können uns im wahrsten Sinne kaum auf den Beinen halten und müssen uns richtigen gegen den Wind lehnen. Immer wenn ich dann auf dem weiterhin sehr felsigen Weg mal einen Schritt anders setzen muss als geplant, wirft mich der Wind komplett aus dem Gleichgewicht (ja, es fühlt sich wirklich an wie werfen, oder sagen wir, schubsen).
Der Wind wird zum Glück weniger, je weiter wir es runter schaffen. Aber... Hatte ich erwähnt, dass es regnet? Mich verlassen allmählich sowohl meine körperlichen als auch meine mentalen Kräfte und so passiert, wovor de Guides die ganze Zeit eindringlich gewarnt haben: Ich bin etwas unkonzentriert, stolpere und falle. Na toll, auch das noch. Immerhin, dass ich deswegen zwischenzeitlich komplett in einer Pfütze sitze, macht mir viel weniger aus als es das sonst tun würde. Ich bin eh bis auf die Haut durchnässt. Leider bin ich aber blöd auf's Knie gefallen und meine Wade hat gekrampft. Was soll ich sagen, das macht den restlichen Rückweg nicht gerade angenehmer.
Alice war bei meiner kleinen Stunteinlage noch direkt hinter mir, setzt sich jetzt aber auch ab. Die anderen Vier sind schon seit einer Weile für mich nicht mehr in Sichtweite. Ich verbringe daher die letzte Stunde damit, mich, den Regen, den Berg, das Land und überhaupt diese ganze dämliche Auslandsgeschichte hier zu verfluchen, während ich es irgendwie schaffe, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Um ungefähr 10:30 Uhr erreiche ich (tatsächlich nur wenige Minuten nach den anderen) dann endlich wieder das Häuschen am Parkplatz, an dem wir gestartet sind. Wir genehmigen uns ein paar Heißgetränke und ziehen uns, teils auf dem Parkplatz, teils im Auto, teils im Häuschen, irgendwie trockene Klamotten an. Gar nicht so einfach, Sarah ruft verzweifelt von der Rückbank des Wagens (frei übersetzt): "Ich krieg meine Hose nicht an, meine Beine sind zu nass. Dabei habe ich sie abgetrocknet. DREIMAL!!!" Währenddessen filmt Shane Alice dabei, wie sie Wasser aus ihren Schuhen kippt und ihre Socken auswringt. Es ist wirklich absurd, wie nass wir sind. Und nun frieren wir wirklich richtig.
Eine halbe Stunde später sitzen dann aber alle wieder halbwegs trocken in den halbwegs warmen Autos. Und nun trennen sich unsere Wege - während die anderen die Rückreise nach Dublin antreten, geht es für mich alleine weiter nach Killarney.

Dort hatte ich mir für heute ein Zimmer in einer Pension gebucht. In einem Touristenort wie Killarney an einem Feiertagswochenende (Montag ist in Irland "Bank Holiday") und kurz nach den Lockerungen der Corona-Beschränkungen eigentlich ein unmögliches oder unsagbar teures Unterfangen. Aber ich hatte super viel Glück und habe ein Einzelzimmer mit eigenem Bad für nur 60€ ergattert.
Da es eh noch viel zu früh ist und ich halb verhungere, hole ich mir ein Sub und esse es im Auto. Darin habe ich die Heizung auf 28° eingestellt und die Sitzheizung an. Ja, ich brauche das gerade! Und dann sende ich nochmal ein kurzes Dankesgebet gen Himmel, denn halleluja, obwohl ich zwei Stunden zu früh dran bin, kann ich schon in mein Zimmer. Ich würde dem Pensionsbesitzer glatt die Füße küssen, so sehr freue ich mich über diese Nachricht.
Im Zimmer lasse ich mehr oder weniger alles stehen und liegen und gehe gleich unter die Dusche, die ich für mich ungewöhnlich heiß einstelle und eine halbe Ewigkeit in vollen Zügen genieße. Von dort schlüpfe ich auf direktem Wege in das ebenfalls sehr bequeme Bett und hole erstmal gute zweieinhalb Stunden Schlaf nach.

Ich würde jetzt gerne sagen, danach fühle ich mich wie ein neuer Mensch, aber das wäre deutlich übertrieben. Ich friere nicht mehr und ich bin etwas wacher, bin aber immer noch ziemlich gerädert. Dementsprechend passiert auch nicht mehr allzu viel. Ich fahre ins Städtchen, das ich für eine gute Stunde erkunde, besorge mir was zu essen und Küchenrolle. Damit werden die komplett durchtränkten Schuhe (die inzwischen auch gewaschen sind) mehrmals ausgestopft. Für die nassen Klamotten nehme ich für 15 Minuten der Trockner an der gegenüberliegenden Tankstellte in Anspruch, danach verteile ich sie noch überall im Zimmer zum weiteren Trocknen.
Nach einer kleinen Dehneinheit mache ich dann um 9 Uhr das Licht aus und falle augenblicklich in einen komatösen Schlaf.

Montag, 26.07.2021

Erste Schritte

Hallöchen zusammen!
Eigentlich wollte ich ja schon früher über meine Anreise und Ankunft berichten, aber irgendwie war ich dann zu beschäftigt mit Sonnenbaden, Wohnungssuche und Schlafen...
Dafür gibt es nun schon etwas mehr zu berichten. Also, packt die Lesebrille aus und los geht's :)

Die Anreise verlief dankenswerter Weise total unspektakulär, im positiven Sinne. Keine Probleme bei der Gepäckaufgabe, keine großartigen Verspätungen, keine Diskussionen bei der Einreise in Irland.
Aber... Kennt ihr diesen Moment, wenn ihr am Gepäckband steht und schon fünfmal den gleichen Koffer habt vorbeifahren sehen und eurer war immer noch nicht dabei? Gott, das macht mich jedes Mal echt nervös. Aber mein Koffer kam dann irgendwann doch noch um die Ecke, also alles gut.
Mein Vermieter, Paul, war dann so nett und hat mich mit dem Auto am Flughafen abgeholt und hat mit mir direkt noch eine kurze Tour durch den Ort gemacht und mir die wichtigsten Anlaufstellen gezeigt. Dann sind wir zu seinem Haus, wo ich nun mit seiner Frau Ruth und dem Neufundländer Paddington lebe.

Das "Ankommen" war hingegen für mich an dem Wochenende nicht so leicht. Abgesehen von einigem Hin und Her mit meinem Firmenlaptop habe ich mich hier in dem Haus von Anfang an leider so gar nicht wohlgefühlt. Im Gegenteil, es lag mir wortwörtlich ziemlich schwer im Magen, zumindest die ersten Tage. Ich möchte die Gründe hier in der Öffentlichkeit jetzt nicht weiter ausführen. In jedem Fall habe ich noch am Sonntagabend ein (seeehr unangenehmes) Gespräch mit Paul und Ruth geführt und ihnen mitgeteilt, dass ich mir eine andere Bleibe suchen werde.
Und nein, das ist nicht aus einer Ich-bin-so-weit-weg-von-zuhause-und-alles-ist-neu-Überfoderung heraus entstanden, das habe ich reichlich selbst hinterfragt. Inzwischen kann ich mit den Umständen auch etwas besser umgehen, aber ich wäre hier einfach nicht über 7 Monate glücklich geworden.

Aber wie das so mit allem im Leben ist - an meiner Unterkunft ist bei Weitem nicht alles schlecht! Paul und Ruth sind wirklich total lieb und vor allem absolut hilfsbereit in allen Belangen. Außerdem ist Paul begeisterter Hobbykoch, sodass wir jeden Abend gemeinsam frisch zubereitete und in der Regel auch wirklich gute Mahlzeiten essen. Das Bekocht-Werden werde ich wohl definitiv vermissen.
Mir gefällt auch der Ort, in dem ich wohne, Clondalkin. Nur 100m vom Haus entfernt ist ein großer, schlichter und nicht zu viel besuchter Park mit viel Grünfläche, den ich schon reichlich genutzt habe. Für kleinere Einkäufe gibt es einen Spar, der nur ca. 400m die Straße hoch ist. Bis in den Ortskern sind es 15-20 Minuten zu Fuß, bis in die Stadt 35min mit dem Bus und mit dem Auto nur 12min zur Arbeit. Es lässt sich für den Moment also durchaus aushalten!

Unser Häuschen     

Meine freie Zeit in den ersten Tagen habe ich erstmal zum Runterkommen genutzt. Die letzten Wochen zuhause hatten mich in vierlei Hinsicht wohl doch ziemlich geschafft, wie ich dann gemerkt habe. Ich war also nur zu Fuß hier im Ort und habe mal die Läden ein wenig erkundet, die nähere Umgebung ansonsten aber nicht verlassen. Stattdessen war ich ganz viel im Park - spazieren, Kinderfußball gucken, lesen, joggen, Yoga machen, Podcast hören, Löcher in den blauen Himmel starren. Es scheint, als hätte ich das mal nötig gehabt und ich hab's die Woche über echt total genossen. So viel und gerne gelesen (auch beim Frühstücken, in der Mittagspause etc.) habe ich lange nicht mehr. Und ich habe ein neues kleines Suchtmittel für mich entdeckt: den True Crime Podcast "Mordlust" - kann ich nur empfehlen!
[Dass ich den so viel höre im Moment, hat allerdings den blöden Nebeneffekt, dass ich mich dann doch eeetwas unwohl fühle, wenn ich hier in der Stadt oder im Dorf alleine durch verlassene Hintergässchen spaziere oder im Dunkeln zur Gartenlaube muss, um den Trockner anzumachen... Upsi.]

   I Like.  

Ich muss wirklich sagen, das Wetter hier ist für mich gerade echt ein absoluter Rettungsanker gewesen. Ich habe soooo ein Glück! Irland hat gerade so etwas wie einen Jahrhundertsommer erlebt. In den Medien spricht man hier - angesichts der 24 bis 27 Grad, die in den letzten 10 Tagen geherrscht haben - von einer Hitzewelle. Es wurden sogar Wetterwarnungen wegen Hitze ausgesprochen. Und von Ruth und meinen irisichen Kollegen habe ich täglich mehrfach ein "Oh my God, it's so hot!!!" zu hören bekommen.
Ich lieb's einfach nur - der Himmel strahlend blau und die Luft trotz herrlich frisch (im Sinne von nicht schwül). Es hat sich für mich angefühlt wie die ersten richtig warmen Frühlingstage in Deutschland - und das sind schon seit einigen Jahren meine liebsten Tage im Jahr <3

Und dann noch ein erster Schritt im Alltagsleben: Leute treffen.
Am Mittwoch hat mich meine Chefin Sarah nach der Arbeit mit dem Auto abgeholt und wir sind zu einer Brazilian Jiu Jitsu - Schnupperstunde gefahren. Eine Kollegin betreibt in dem Sportclub, in dem wir waren, schon seit Jahren Kampfsport und hatte Sarah gefragt, ob sie nicht mal vorbeikommen will, und die hat mich dann wiederum kurzerhand mitgenommen.
Fazit: Ich finde es immer super interessant, neue Sportarten auszuprobieren und es war wirklich mal eine ganz andere Erfahrung. So richtig Spaß gemacht hat es mir nicht, daher wird wohl bei diesem einen Mal bleiben.
Es war in jedem Fall schön, rauszukommen und mal zwei Kolleginnen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen!

Und das ist um doch 'ne klasse Überleitung vom Alltag zum Arbeitsleben, würde ich sagen.
Vielleicht das hier vorab mal nett zu wissen: Sarah, meine Chefin, kannte ich schon, bevor ich hierher gekommen bin. Sie hat zu meiner Zeit bei der internationalen Zentrale von Lidl in Neckarsulm auch dort im gleichen Bereich gearbeitet. Wir kennen uns zwar nur vage, aber das erleichtert den Einstieg hier trotzdem um einiges (schätze ich, hab ja keinen Vergleich...)!
Nach einem wirklich langweiligen und einsamen Tag am Montag mit IT-Einführung und eLearnings über Datenschutz, Unfallverhütung und Co. folgten die restlichen Tage der letzten Woche direkt vielfache Sprünge ins kalte Wasser. Ich hab einfach direkt an allen (z.T. regelmäßigen) Meetings teilgenommen, die mein Projekt betreffen und wurde von Alana mit einigen Prozessen und Systemen vertraut gemacht (okay zugegeben, von vertraut bin ich noch weit entfernt). Alana bildet zusammen mit Damien mein Team, arbeitet schon seit vielen Monaten an dem Projekt und ist daher gerade meine Ansprechpartnerin #1 (und im übrigen auch unsere Jiu Jitsu Meisterin).
Ach und zwischen all dem, was da auf mich einprasselte, hatte Sarah gleich am Dienstagvormittag noch entschieden, mich auch noch in ein anderes Projekt zu integrieren. Da hab ich auch an nem Meeting teilgenommen - noch bevor wir zwei uns näher hierzu unterhalten kommen. Läääuft!
Grundsätzlich schafft mich die Arbeit bisher ganz schön - eigentlich war ich jeden Tag schon ab 14 Uhr nicht mehr aufnahmefähig. Einarbeitungen sind ja eh immer anstrengend und das Ganze in Englisch verarbeiten zu müssen macht es nicht leichter. In der 1-zu-1-Einarbeitung mit Alana oder heute mit Anna vom Marketing geht es. Aber in den Meetings, in denen dann auch noch mehrere Dialekte und Akzente zusammenkommen, da muss ich mich schon extrem konzentrieren, um nicht einfach auf Durchzug zu schalten.

Aber nun gut. Der heutige Arbeitstag hielt jedenfalls wieder ein paar Erste Male für mich bereit, denn heute konnte ich das erste Mal ins Büro fahren. (Das ging letzte Woche noch nicht wegen dieses komischen Virus, von dem ständig alle reden...)
Das find super an mit ner Viertelstunde draußen frieren (seit heute herrscht wieder irischer Sommer), erfolgreich eine Zutrittskarte ergattern und dann 20min auf die Kollegin warten, die mich abholen sollte und es vergessen hatte. Aber da gibt's doch Schlimmeres.
Es folgte klassische Einarbeitung (à la "Wir gehen hier wie folgt vor und das sind unsere täglichen Aufgaben.") im Marketing. Nachmittags war einer der wenigen Kollegen*innen aus meiner Abteilung (Stammdaten), die im Büro sind, so nett und hat mich zu einer Tasse Kaffe bzw. Kakao und einem Willkommens-Plausch eingeladen und mich durch das Gebäude geführt, um mir alles zu zeigen. Dann folgte wieder ein Remote-Meeting zu meinem Projekt. Ein doch recht abwechslungsreicher, angenehmer Tag, finde ich!
Uh und dann wäre da noch der schnieke 3er BMW, den ich heute entgegennehmen durfte, mein Firmenwagen - whoop, whoop! Fancy. Ich war was meine Jungfernfahrt angeht allerdings etwas skeptisch. Denn hier herrscht Linksverkehr - zur Info für alle, die es ebenso wie ich nicht wussten. Aber ich muss ehrlich sagen, das hat heute wirklich erstaunlich gut geklappt! Hat mir überraschender Weise echt gar keine Probleme bereitet (nur den Rückspiegel finde ich nie...). Die Strecke vom Büro nach Hause ist auch eine gute Übungsstrecke, da sie nicht zu lang und relativ wenig befahren ist.
Ich glaube auch, dass es gut war, dass ich das Auto entgegen der Planung erst heute bekommen habe. Durch das viele Spazieren und einige Busfahrten am Wochenende habe ich mich schon ziemlich gut an den Linksverkehr gewöhnt.

Wo wir gerade bei Busfahrten sind: Ja, auch in Part #3 von meinem kleinen Abenteuer hier habe ich erste Schritte gewagt und mich ein wenig als Touristin auf den Weg gemacht.
Am Samstag habe ich mich insgesamt knapp 1,5h in Bus und Bahn gesetzt, um nach Dun Laoghaire (englisch Dun Liery gesprochen, fragt nicht...) zu gelangen. Dazu muss ich erstmal sagen: Hut ab, Dublin, ich habe wohl noch nie so saubere öffentliche Verkehrsmittel gesehen! Wirklich angenehm.
Dun Laoghaire ist ein kleiner Ort an Dublins Küste und ebenso wie das gegenüberliegende Howth unter anderem dafür bekannt, dass man dort Fish & Chips essen kann, für die der Fisch nur wenige Stunden zuvor direkt aus dem Hafen gefischt wurde. Nun gut, damit kann man mich persönlich jetzt nicht so sehr locken. Aber egal, ich bin einfach am Pier entlang und durch die kleine Einkaufsstraße spaziert, habe Second-Hand-Bücher durchstöbert, lauter gut gelaunte Leute beobachtet und das schöne Wetter und die Meeresluft genossen.



Lieblingsmoment der Woche: Am Pier habe ich mich eine kleine Weile hingesetzt und einem Straßenmusiker gelauscht. Er hat "Fast Car" von Tracy Chapman gesungen, ein Lied, das mich schon seit ein paar Jahren immer wieder berüht. Dazu die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Rücken und das Rauschen der Wellen im Hintergrund...

Gestern, am Sonntag, habe ich mich gleich nach dem Frühstück dann wieder mit dem Bus auf den Weg gemacht. Der führte mich dieses Mal mehr in die Innenstadt, aber dennoch erstmal ins Grüne - den St. Stephen's Green (Park). Dort habe ich vor allem viele, viele Menschen und seeehr viele Vögel gesehen, vornehmlich Tauben und Möwen.

     

Für meinen Geschmack war es daher entschieden zu voll, um es wirklich schön dort zu finden. Aber der Park an sich hat auf jeden Fall was, vor allem wenn man bedenkt, dass er fast direkt im Stadtzentrum liegt. Jedenfalls war er für mich einladend genug, als dass ich mich auch dort ins saftige, grüne Gras gelegt, Sonne getankt und gelesen habe.

Gleich angrenzend an St. Stephens Green ist die Grafton Street, eine der bekanntesten Einkaufsstraßen Dublins (hab ich mir im Nachhinein von Paul sagen lassen). Und die hat für mich tatsächlich noch eine herrliche Überraschung bereitgehalten: einen Disney Store!
Ehrlicher Weise muss ich zugeben, dass es dort eigentlich nur Zeug gibt, dass niemand so wirklich gebrauchen kann. Trotzdem haben meine Augen mindestens so sehr gestrahlt wie die der Kinder, die dort herumliefen. Und die Disney-Lieder, die aus den Lautsprechern tönten, habe ich selbstverständlich unter meiner Maske auch stumm mitgesungen, während ich durch die drei (!) Etagen des Ladens schlenderte. Und ja, ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen, wenigstens ein Teil aus der Sale-Ecke mitzunehmen...

Ein Traum wird wahr!

Dann zog es mich zu Murphy's Ice Cream, der laut Trip Advisor besten Eisdiele der Stadt. Zugegeben, die Leute waren super freundlich, das Eis gut und die Sorten recht außergewöhnlich - ich hatte z.B. Irish Brown Bread - aber ob es die 5€ für zwei (kleine) Kugeln wert ist, ich weiß nicht...
Egal, ich bin mit meinem Eis in der Hand jedenfalls noch ein wenig ziellos durch nette kleine Nebenstraßen gezogen und bin dann am Nachmittag wieder die Heimreise angetreten.


So viel zu den Fakten. Und sonst so?
Mhmm. Gestern habe ich festgestellt, dass es sich für mich irgendwie so anfühlt, als seien meine letzten Tage in MG, die letzten Treffen mit meinen Lieben, die Abschieds-Umarmungen... schon Wochen her. Auf der anderen Seite fühlt es sich nicht so an, als sei ich schon ewig hier. Es ist ja auch noch nicht allzu viel passiert. Ich weiß auch nicht.
Es ist nicht so, dass ich Heimweh habe. Nur hänge ich irgendwie gefühlt noch ziemlich zwischen den Welten. Ich habe noch immer nicht wirklich begriffen, was hier eigentlich gerade abgeht. Dass das hier jetzt erstmal mein Leben ist. Meine Stadt. Mein Job. Meine Kollegen*innen, Freunde*innen. Das ist einfach noch nicht angekommen bei mir. Und ich hab ein wenig Angst vor dem Moment, wo mich genau das einholt.
Auch was die Sprache angeht fühle ich mich ein bisschen zwischen den Welten, als könnte ich weder die eine noch die andere so recht. Tatsächlich denke ich (unbeabsichtigt) schon seit letztem Wochenende ziemlich häufig in Englisch. Was absurd ist, da ich sowohl beim Sprechen als auch beim Denken immer wieder feststellen muss, dass mein Englisch wirklich noch ausbaufähig ist. Üben konnte ich bisher auch gar nicht so viel, da ich sowohl hier beim Geschichten-Erzähler Paul als auch im Rahmen der Einarbeitung auf der Arbeit 90% der Zeit nur zuhören muss. Hinzu kommt, dass ein zweistündiges Meeting auf Deutsch stattgefunden hat und ich v.a. mit Sarah ständig ganz wild zwischen Deutsch und Englisch hin- und herwechsel, sowohl beim Schreiben als auch beim Reden. Das ist manchmal ganz schön verwirrend.
Und dann merke ich leider auch, wie ich mit Blick auf die Arbeit schon anfange, ungedulig zu werden. Das Projekt ist super komplex, da einfach sehr viele Abteilungen und entsprechend viele Prozesse involviert sind. Dass es also eine Zeit dauern würde, bis ich einen Durchblick habe, war absolut absehbar. Trotzdem gingen meine Gedanken am Freitag schon in die Richtung: "Na so langsam solltest du aber dazu imstande sein, mehr als 20% des Meetings inhaltlich folgen zu können." Puuuh. Naja, ich übe mich schon seit ein paar Monaten in Geduld mit mir selbst, da kann ich mich ja jetzt nochmal herausfordern.

So viel zu ein paar der vermeintlich dunklen Seiten meines Unterfangens hier. Irgendwie ist es mir wichtig, auch die nicht auszulassen. Denn ein solches "Abenteuer" - sei es Auslandssemster, der Camino oder eben eine kurzeitige Auswanderung - ist eben nicht immer nur toll und aufregend und spaßig. Ich finde, das sollte man nicht vergessen. Das gehört einfach dazu.
Bisher habe ich es aber auch in den zum Teil für mich sehr schwierigen Momenten ganz gut geschafft, den Weitblick nicht zu verlieren. Denn da bin ich mir dann doch wieder recht sicher:
Insgesamt werden das hier wundervolle 7,5 Monate mit vielen schönen und prägenden Erfahrungen =)



Gute Nacht, Welt!

PS: Für das kommende Wochenende ist Großes geplant - stay tuned!

 

Lied der Woche: Justin Bieber - Hold On

 

Freitag, 16.07.2021

Auf den Weg gemacht

Hallo liebe Freunde, Familie und unbekannte Leser*innen,

zunächst einmal: Ja, mein Gepäck und ich sind unversehrt in Dublin angekommen :)

Ich habe beschlossen, wie bei meinen beiden letzten längeren Auslandsaufenthalten auch über meinen "Ausflug" nach Irland einen Blog zu schreiben. Mir hat es einfach gefallen, dass ich so auf der einen Seite meine Lieben auf dem Laufenden halten kann und dass es mir auf der anderen Seite die Möglichkeit bietet, mich und das Erlebte zu reflektieren und festzuhalten. 

Ich kann euch leider noch nicht sagen, wie oft ich schreiben werde. Ich hab mich auch noch nicht entschieden, ob ich mich auf Erkundungstouren, kulinarische und kulturelle Entdeckungen und die kleinen und großen Abenteuer beschränken werde oder ob ich euch auch wieder in den Alltag und in meine Gedankenwelt mitnehme. Das wird sich zeigen :)

Ich freue mich in jedem Fall über jede*n Leser*in und hoffe, ihr habt in Zukunft Spaß beim Lesen!

Playlist des Monats: Auf zu neuen Ufern!