Samstag, 31.07.2021

Erste Abenteuer (Teil 2)

Und weiter geht's...

Sa, 31.07. - The Ring of Kerry (+ Skellig Ring)

Es ist Samstagmorgen und ich lasse es nach der langen und erholsamen Nacht gaaanz gemütlich angehen. Erstmal ist Frühstücken angesagt. Das ist dann nicht ganz so gemütlich, weil der kleine Frühstücksraum ganz schön mit Leuten vollgepackt und entsprechend laut ist. Ich verzichte auf das volle Irische Frühstück (Würstchen, Speck, Rührei und "Black and white pudding"), verlasse meine Frühstücks-Komfortzone aber trotzdem und bestelle einen mit Käse überbackenen Toast, der mit warmer Tomate und Bohnen gereicht wird, dazu gibt es natürlich Schwarztee. Nunja, ich würde sagen, man nimmt was man kriegen kann und ist selbstverständlich tolerant gegenüber anderen Kulturen.

Gestern Nachmittag habe ich mich noch ein wenig schlau gegoogelt, um etwas mehr über die "Must Sees" in Killarney und Umgebung und auf dem Ring of Kerry zu erfahren und meine Route zu planen. Die Route selbst musste ich eigentlich nicht wirklich planen, was mein Glück ist, denn Orientierung, Karten, Routen und ich, wir waren ja bekanntlich noch nie Freunde.
Der Ring of Kerry ist eine 179 km lange Küstenstraße im County Kerry, die bei Touristen sehr beliebt und bekannt dafür ist, die unterschiedlichsten und schönsten Landschaften Kerrys bzw. ganz Irlands in sich zu vereinen. Wie der Name schon vermuten lässt, bildet die Straße einen Ring, sodass man wieder dort auskommt, wo man gestartet ist, und dabei ohne groß nachzudenken alle Sehenswürdigkeiten abklappern kann. Im Laufe des Vormittags stelle ich zudem erfreut fest, dass nicht nur der Ring selbst, sondern auch die Sehenswürdigkeiten bestens ausgeschildert sind (manchmal muss man wenige Kilometer von der Hauptstraße abfahren, um zu den Aussichtspunkten etc. zu gelangen). Wie für mich gemacht!

Nach einiger Hin- und Herpackerei und dem letzten verzweifelten Versuch, meine Schuhe trocken zu föhnen, sitze ich also um 10:45 Uhr im Auto und mache mich auf den Weg.
Heute gilt: Der Weg ist das Ziel!
Meinen ersten geplanten Stopp überspringe ich direkt, denn siehe da - es regnet. Ich glaube, ich bin echt ein wenig traumatisiert von dem Wetter gestern. Ich habe gefühlt regelrecht Angst davor, wieder zu frieren und habe wirklich, wirklich keine Lust, nass zu werden.
Stattdessen halte ich kurze Zeit später (es regnet nicht mehr) spontan an einem See an, auf den die Straßenschilder mich aufmerksam gemacht haben. Leider ist es recht grau und die Wolken hängen tief, sodass der Ausblick nicht der schönste ist. Dafür herrscht dort absolute Stille und ich bin für einen Moment ganz alleine - ich liebe es. Viel zu schnell nach meiner Ankunft erreichen aber auch zwei Familien den See - sie wollen offensichtlich angeln - und ich verkrümel mich direkt wieder. Ich bin echt nicht im Touristenmodus. Ich würde meine Stimmung eher als Igel-Modus bezeichnen. Irgendwie bin ich echt demotiviert von der Aktion gestern und außerdem tun mir mein Knie und ein Oberschenkel echt weh...

Die Landschaft wird nun immer hügeliger und weniger bewohnt, das gefällt mir. Ein, zwei Mal halte ich an, um einfach für eine Minute den Anblick zu genießen und ihn (ohne Erfolg) in Fotos festzuhalten. Dann erreiche ich mit ein wenig Rumgurkerei die Stone Forts bei Cahersiveen. Die Sonnenstrahlen, die sich gerade ihren Weg durch die Wolken gekämpft haben, sind herrlich warm und heben meine Stimmung etwas. So nehme ich mir also Zeit, die Landschaft um mich herum in allen Richtungen zu betrachten, auf den Stone Forts herumzuklettern und zu beobachten, wie der kleine Junge seiner noch kleineren Schwester beweist wie toll er schon klettern kann.

   

Mein Weg führt mich nun weiter bis runter an die Küste. Die Schilder in Richtung Portmagee (ein Ort, der auf meiner Liste stand) und die, die in Großbuchstaben "The Most Spectacular Cliffs in Kerry" rufen, kündigen einen Abstecher von 11 km an. Ich fahre also erst auf die Insel Valentia rüber, ein Stück den Berg hinauf, und parke mein Auto auf dem großen Wanderparkplatz dort. Hier bietet sich mir bereits der erste tolle Ausblick auf die raue Küste und die Skellig Islands. Ein Wanderweg führt zu einem Leuchtturm am Ende der Insel hoch, aber ich bin tatsächlich zu schlapp, um den 4,7 km langen Hin- und Rückweg auf mich zu nehmen. Ich schiebe es mal auf mein Knie. Ich gehe den Weg aber doch wenigstens ein Stück hoch, und sei es nur, um mir mal die Beine zu vertreten. Nicht den ganzen Weg zu gehen war auch eine weise Entscheidung, denn kurz bevor ich wieder am Auto bin, fängt es an zu nieseln.

Trotzdem blicke ich ein wenig sehnsüchtig den Booten hinterher, die zwischen dem Festland und den beiden Inseln Great Skellig und Little Skellig hin- und herfahen. Heute ist mir nicht danach, aber wenn die Zeit es zulässt, möchte ich nochmal herkommen und dort rüber fahren. Für viele Fans der Star Wars - Reihe könnte dies übrigens einem Ausflug in "weit entferne Galaxien" gleichkommen, da der Great Skellig als Drehort und Vorlage für ein Versteck von Luke Skywalker diente. Mich persönlich reizt aber tatsächlich mehr die Insel selbst und die mittelalterliche Klosterruine, die auf dem Nordgipfel der Insel liegt.

So, ich bin mir dann jetzt aber doch nicht sicher, ob das wirklich schon die Most Spectacular Cliffs waren, die man mir versprochen hat. Eine kurze Internetrecherche später hat sich mein Verdacht bestätigt und ich lasse mich nun von Google Maps zu den Kerry Cliffs leiten. Auch zu deren Füßen gibt es einen großen Parkplatz und man muss sogar Eintritt bezahlen, um sie begehen zu dürfen. Das mache ich brav und erklimme tapfer beide Enden des Schotterweges, der auf zwei Ausläufer der felsigen Küste führt und so Einblick in alle Ecken des Küstenstreifes ermöglicht. Ich finde den Anblick der kantigen, steilen Felswände durchaus beeindruckend und ich schaue mir auch eine Weile die Möwen an (die keine sind, wie ich später lerne), die ihre Kreise durch die Buchten ziehen. Und die zwei Kühe, die auf der Weide gleich neben dem Schotterweg stehen und sich wild und doch liebevoll abknutschen, ringen mir ein ehrliches Lächeln ab. Aber puh, irgendwie bin ich immer noch nicht in Stimmung. Ich weiß auch nicht, was los ist. Normalerweise sind schöne, bergige, grüne Landschaften für mich immer wie eine Droge und absoluter Gute-Laune-Garant. Aber heute irgendwie nicht. Ich schieße also einige obligatorische Fotos und setze mich dann wieder ins Auto.

      

Nach einem kurzen Blick auf die Beschilderung und die Karte im Navi beschließe ich, "einfach" dem Skellig Ring zu folgen, der mich automatisch zurück auf den Ring of Kerry führen wird und der noch einige schöne Blicke auf's Meer verspricht. Falscher Fehler. Die Landschaft ist zwar wirklich schön, aber von einfach kann wirklich keine Rede sein. Ich habe ja schon am Donnerstagabend auf dem Weg nach Kerry und auch auf den ersten Stücken des Rings so meine Erfahrungen mit irischen Landstraßen gemacht, aber das hier ist wirklich nochmal ein ganz neues Level! Viele der bisherigen Straßen haben mein deutsches Hirn schon in Alarmbereitschaft gesetzt, weil sie aussahen und sich anfühlten, als müsste am Anfang mindestens ein Durchfahrtsverbotschild "Anlieger frei", eher aber noch eins der Sorte "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" stehen. Hier auf dem Skellig Ring sind die Straßen, oder nennen wir es Wege, aber noch schmäler, noch hubbeliger und von noch mehr Gestrüpp gesäumt.
(Gestrüpp klingt böse. Die grünen Büsche sind immer wieder von Blumen mit bunten Blüten durchsäht und das sieht eigentlich sogar echt hübsch aus!)
Immerhin, alle paar hundert Meter gibt es Ausbuchtungen, die vielleicht 40cm breit sind. Die kann man dann nutzen, wenn einem ein Auto entgegenkommt, super. Nach dem 30. Ausweichmanöver denke ich dann nicht mehr jedes Mal, dass die beiden Autos niiiieeemals aneinandervorbeipassen. Ein Fortschritt. Ich frage mich aber die ganze Zeit, ob oder wie viele Kratzer mein schicker Wagen wohl von den ganzen Kuscheleinheiten mit den Büschen davontragen wird.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich komme nur unfassbar langsam vorwärts.
Und das "Ballinskelligs Castle", eine Burgruine, die ich mir ansehen wollte, finde ich irgendwie auch nicht. Aber ich habe inzwischen die alte Roadtrip-Playlist von Norwegen wieder herausgekramt und singe lautstark mit, während ich irgendwie anfange, die Achterbahnfahrt zu genießen.

Irgendwann gelange ich endlich wieder auf den Ring of Kerry und mache kurz darauf einen kurzen Stopp am Straßenrand kurz hinter Caherdaniel. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und schaue im Handy, wo ich mich gerade befinde. Ääääähm. Okay. Das war anders geplant. Es ist 16:40 Uhr und ich muss festellen, dass ich erst ein wenig mehr als die Hälfte der Strecke auf dem Ring of Kerry gefahren bin. Und ich hatte Sorge, ich könnte mich in meiner nächsten Unterkunft langweilen, weil ich nach höchstens 4 oder 5 Stunden mit dem Ring "fertig" bin...
Ich überlege hin und her. Das letzte Drittel des Rings soll nochmal richtig schön sein - eine Waldlandschaft - und ich hatte mir dort einige Seen, Ruinen und Wasserfälle rausgesucht, die ich mir wirklich gerne ansehen wollte. Aber Hand auf's Herz, das wird heute nichts mehr!
Ich breche meine Erkundungstour ab, fahre auf dem Ring ohne weitere Zwischenstopps bis nach Kenmare hoch, komme überraschender Weise sogar nochmal an Alice' Haus vorbei, und fahre von dort weiter in Richtung Osten. 3 Stunden später, ein kurzer Halt im Ortskern von Clonakilty, wo ich mir ein Abendessen zum Mitnehmen organisiere. Um kurz vor 8 Uhr komme ich dann endlich an dem BnB an, in dem ich mich für diese Nacht eingebucht habe. Halleluja, 9 Stunden "on the road" und ich glaube, davon bin ich gut und gerne 6,5 Stunden gefahren.

Das Abendessen - panierte Hähnchenbrust und aus frischen Kartoffeln gemachte, dicke Pommes - ist für mich heute eher Mittel zum Zweck als Genuss, auch wenn sie gut gemacht sind. Es folgen eine wohltuende warme Dusche und eine Runde Bett-Yoga. Und gelesen wird auch noch.
Verrückt, ich bin gar nicht so geplättet, wie man meinen sollte. Die Fahrerei habe ich trotz oder vielleicht sogar wegen der wirklich abenteuerlichen Umstände irgendwie echt genossen. Haha und ich will behaupten, mein Auto kann ich inzwischen ganz gut einschätzen. Das hat wirklich sehr treue Dienste geleistet und ich bin so dankbar, dass es ein Automatikgetriebe und die ein oder andere Pferdestärke hat! Mit meinem Micra hätte ich wohl nicht ansatzweise von Genießen reden können...
Learning of the Day: Wenn man einen Roadtrip macht, um die Landschaft zu bewundern, sollte man sich mindestens eine Begleitung suchen und die fahren lassen. Hier unten gleicht es jedenfalls einem Höllenfahrtskommando, wähend des Fahrens einen Blick nach rechts oder links zu riskieren.