Montag, 26.07.2021

Erste Schritte

Hallöchen zusammen!
Eigentlich wollte ich ja schon früher über meine Anreise und Ankunft berichten, aber irgendwie war ich dann zu beschäftigt mit Sonnenbaden, Wohnungssuche und Schlafen...
Dafür gibt es nun schon etwas mehr zu berichten. Also, packt die Lesebrille aus und los geht's :)

Die Anreise verlief dankenswerter Weise total unspektakulär, im positiven Sinne. Keine Probleme bei der Gepäckaufgabe, keine großartigen Verspätungen, keine Diskussionen bei der Einreise in Irland.
Aber... Kennt ihr diesen Moment, wenn ihr am Gepäckband steht und schon fünfmal den gleichen Koffer habt vorbeifahren sehen und eurer war immer noch nicht dabei? Gott, das macht mich jedes Mal echt nervös. Aber mein Koffer kam dann irgendwann doch noch um die Ecke, also alles gut.
Mein Vermieter, Paul, war dann so nett und hat mich mit dem Auto am Flughafen abgeholt und hat mit mir direkt noch eine kurze Tour durch den Ort gemacht und mir die wichtigsten Anlaufstellen gezeigt. Dann sind wir zu seinem Haus, wo ich nun mit seiner Frau Ruth und dem Neufundländer Paddington lebe.

Das "Ankommen" war hingegen für mich an dem Wochenende nicht so leicht. Abgesehen von einigem Hin und Her mit meinem Firmenlaptop habe ich mich hier in dem Haus von Anfang an leider so gar nicht wohlgefühlt. Im Gegenteil, es lag mir wortwörtlich ziemlich schwer im Magen, zumindest die ersten Tage. Ich möchte die Gründe hier in der Öffentlichkeit jetzt nicht weiter ausführen. In jedem Fall habe ich noch am Sonntagabend ein (seeehr unangenehmes) Gespräch mit Paul und Ruth geführt und ihnen mitgeteilt, dass ich mir eine andere Bleibe suchen werde.
Und nein, das ist nicht aus einer Ich-bin-so-weit-weg-von-zuhause-und-alles-ist-neu-Überfoderung heraus entstanden, das habe ich reichlich selbst hinterfragt. Inzwischen kann ich mit den Umständen auch etwas besser umgehen, aber ich wäre hier einfach nicht über 7 Monate glücklich geworden.

Aber wie das so mit allem im Leben ist - an meiner Unterkunft ist bei Weitem nicht alles schlecht! Paul und Ruth sind wirklich total lieb und vor allem absolut hilfsbereit in allen Belangen. Außerdem ist Paul begeisterter Hobbykoch, sodass wir jeden Abend gemeinsam frisch zubereitete und in der Regel auch wirklich gute Mahlzeiten essen. Das Bekocht-Werden werde ich wohl definitiv vermissen.
Mir gefällt auch der Ort, in dem ich wohne, Clondalkin. Nur 100m vom Haus entfernt ist ein großer, schlichter und nicht zu viel besuchter Park mit viel Grünfläche, den ich schon reichlich genutzt habe. Für kleinere Einkäufe gibt es einen Spar, der nur ca. 400m die Straße hoch ist. Bis in den Ortskern sind es 15-20 Minuten zu Fuß, bis in die Stadt 35min mit dem Bus und mit dem Auto nur 12min zur Arbeit. Es lässt sich für den Moment also durchaus aushalten!

Unser Häuschen     

Meine freie Zeit in den ersten Tagen habe ich erstmal zum Runterkommen genutzt. Die letzten Wochen zuhause hatten mich in vierlei Hinsicht wohl doch ziemlich geschafft, wie ich dann gemerkt habe. Ich war also nur zu Fuß hier im Ort und habe mal die Läden ein wenig erkundet, die nähere Umgebung ansonsten aber nicht verlassen. Stattdessen war ich ganz viel im Park - spazieren, Kinderfußball gucken, lesen, joggen, Yoga machen, Podcast hören, Löcher in den blauen Himmel starren. Es scheint, als hätte ich das mal nötig gehabt und ich hab's die Woche über echt total genossen. So viel und gerne gelesen (auch beim Frühstücken, in der Mittagspause etc.) habe ich lange nicht mehr. Und ich habe ein neues kleines Suchtmittel für mich entdeckt: den True Crime Podcast "Mordlust" - kann ich nur empfehlen!
[Dass ich den so viel höre im Moment, hat allerdings den blöden Nebeneffekt, dass ich mich dann doch eeetwas unwohl fühle, wenn ich hier in der Stadt oder im Dorf alleine durch verlassene Hintergässchen spaziere oder im Dunkeln zur Gartenlaube muss, um den Trockner anzumachen... Upsi.]

   I Like.  

Ich muss wirklich sagen, das Wetter hier ist für mich gerade echt ein absoluter Rettungsanker gewesen. Ich habe soooo ein Glück! Irland hat gerade so etwas wie einen Jahrhundertsommer erlebt. In den Medien spricht man hier - angesichts der 24 bis 27 Grad, die in den letzten 10 Tagen geherrscht haben - von einer Hitzewelle. Es wurden sogar Wetterwarnungen wegen Hitze ausgesprochen. Und von Ruth und meinen irisichen Kollegen habe ich täglich mehrfach ein "Oh my God, it's so hot!!!" zu hören bekommen.
Ich lieb's einfach nur - der Himmel strahlend blau und die Luft trotz herrlich frisch (im Sinne von nicht schwül). Es hat sich für mich angefühlt wie die ersten richtig warmen Frühlingstage in Deutschland - und das sind schon seit einigen Jahren meine liebsten Tage im Jahr <3

Und dann noch ein erster Schritt im Alltagsleben: Leute treffen.
Am Mittwoch hat mich meine Chefin Sarah nach der Arbeit mit dem Auto abgeholt und wir sind zu einer Brazilian Jiu Jitsu - Schnupperstunde gefahren. Eine Kollegin betreibt in dem Sportclub, in dem wir waren, schon seit Jahren Kampfsport und hatte Sarah gefragt, ob sie nicht mal vorbeikommen will, und die hat mich dann wiederum kurzerhand mitgenommen.
Fazit: Ich finde es immer super interessant, neue Sportarten auszuprobieren und es war wirklich mal eine ganz andere Erfahrung. So richtig Spaß gemacht hat es mir nicht, daher wird wohl bei diesem einen Mal bleiben.
Es war in jedem Fall schön, rauszukommen und mal zwei Kolleginnen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen!

Und das ist um doch 'ne klasse Überleitung vom Alltag zum Arbeitsleben, würde ich sagen.
Vielleicht das hier vorab mal nett zu wissen: Sarah, meine Chefin, kannte ich schon, bevor ich hierher gekommen bin. Sie hat zu meiner Zeit bei der internationalen Zentrale von Lidl in Neckarsulm auch dort im gleichen Bereich gearbeitet. Wir kennen uns zwar nur vage, aber das erleichtert den Einstieg hier trotzdem um einiges (schätze ich, hab ja keinen Vergleich...)!
Nach einem wirklich langweiligen und einsamen Tag am Montag mit IT-Einführung und eLearnings über Datenschutz, Unfallverhütung und Co. folgten die restlichen Tage der letzten Woche direkt vielfache Sprünge ins kalte Wasser. Ich hab einfach direkt an allen (z.T. regelmäßigen) Meetings teilgenommen, die mein Projekt betreffen und wurde von Alana mit einigen Prozessen und Systemen vertraut gemacht (okay zugegeben, von vertraut bin ich noch weit entfernt). Alana bildet zusammen mit Damien mein Team, arbeitet schon seit vielen Monaten an dem Projekt und ist daher gerade meine Ansprechpartnerin #1 (und im übrigen auch unsere Jiu Jitsu Meisterin).
Ach und zwischen all dem, was da auf mich einprasselte, hatte Sarah gleich am Dienstagvormittag noch entschieden, mich auch noch in ein anderes Projekt zu integrieren. Da hab ich auch an nem Meeting teilgenommen - noch bevor wir zwei uns näher hierzu unterhalten kommen. Läääuft!
Grundsätzlich schafft mich die Arbeit bisher ganz schön - eigentlich war ich jeden Tag schon ab 14 Uhr nicht mehr aufnahmefähig. Einarbeitungen sind ja eh immer anstrengend und das Ganze in Englisch verarbeiten zu müssen macht es nicht leichter. In der 1-zu-1-Einarbeitung mit Alana oder heute mit Anna vom Marketing geht es. Aber in den Meetings, in denen dann auch noch mehrere Dialekte und Akzente zusammenkommen, da muss ich mich schon extrem konzentrieren, um nicht einfach auf Durchzug zu schalten.

Aber nun gut. Der heutige Arbeitstag hielt jedenfalls wieder ein paar Erste Male für mich bereit, denn heute konnte ich das erste Mal ins Büro fahren. (Das ging letzte Woche noch nicht wegen dieses komischen Virus, von dem ständig alle reden...)
Das find super an mit ner Viertelstunde draußen frieren (seit heute herrscht wieder irischer Sommer), erfolgreich eine Zutrittskarte ergattern und dann 20min auf die Kollegin warten, die mich abholen sollte und es vergessen hatte. Aber da gibt's doch Schlimmeres.
Es folgte klassische Einarbeitung (à la "Wir gehen hier wie folgt vor und das sind unsere täglichen Aufgaben.") im Marketing. Nachmittags war einer der wenigen Kollegen*innen aus meiner Abteilung (Stammdaten), die im Büro sind, so nett und hat mich zu einer Tasse Kaffe bzw. Kakao und einem Willkommens-Plausch eingeladen und mich durch das Gebäude geführt, um mir alles zu zeigen. Dann folgte wieder ein Remote-Meeting zu meinem Projekt. Ein doch recht abwechslungsreicher, angenehmer Tag, finde ich!
Uh und dann wäre da noch der schnieke 3er BMW, den ich heute entgegennehmen durfte, mein Firmenwagen - whoop, whoop! Fancy. Ich war was meine Jungfernfahrt angeht allerdings etwas skeptisch. Denn hier herrscht Linksverkehr - zur Info für alle, die es ebenso wie ich nicht wussten. Aber ich muss ehrlich sagen, das hat heute wirklich erstaunlich gut geklappt! Hat mir überraschender Weise echt gar keine Probleme bereitet (nur den Rückspiegel finde ich nie...). Die Strecke vom Büro nach Hause ist auch eine gute Übungsstrecke, da sie nicht zu lang und relativ wenig befahren ist.
Ich glaube auch, dass es gut war, dass ich das Auto entgegen der Planung erst heute bekommen habe. Durch das viele Spazieren und einige Busfahrten am Wochenende habe ich mich schon ziemlich gut an den Linksverkehr gewöhnt.

Wo wir gerade bei Busfahrten sind: Ja, auch in Part #3 von meinem kleinen Abenteuer hier habe ich erste Schritte gewagt und mich ein wenig als Touristin auf den Weg gemacht.
Am Samstag habe ich mich insgesamt knapp 1,5h in Bus und Bahn gesetzt, um nach Dun Laoghaire (englisch Dun Liery gesprochen, fragt nicht...) zu gelangen. Dazu muss ich erstmal sagen: Hut ab, Dublin, ich habe wohl noch nie so saubere öffentliche Verkehrsmittel gesehen! Wirklich angenehm.
Dun Laoghaire ist ein kleiner Ort an Dublins Küste und ebenso wie das gegenüberliegende Howth unter anderem dafür bekannt, dass man dort Fish & Chips essen kann, für die der Fisch nur wenige Stunden zuvor direkt aus dem Hafen gefischt wurde. Nun gut, damit kann man mich persönlich jetzt nicht so sehr locken. Aber egal, ich bin einfach am Pier entlang und durch die kleine Einkaufsstraße spaziert, habe Second-Hand-Bücher durchstöbert, lauter gut gelaunte Leute beobachtet und das schöne Wetter und die Meeresluft genossen.



Lieblingsmoment der Woche: Am Pier habe ich mich eine kleine Weile hingesetzt und einem Straßenmusiker gelauscht. Er hat "Fast Car" von Tracy Chapman gesungen, ein Lied, das mich schon seit ein paar Jahren immer wieder berüht. Dazu die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Rücken und das Rauschen der Wellen im Hintergrund...

Gestern, am Sonntag, habe ich mich gleich nach dem Frühstück dann wieder mit dem Bus auf den Weg gemacht. Der führte mich dieses Mal mehr in die Innenstadt, aber dennoch erstmal ins Grüne - den St. Stephen's Green (Park). Dort habe ich vor allem viele, viele Menschen und seeehr viele Vögel gesehen, vornehmlich Tauben und Möwen.

     

Für meinen Geschmack war es daher entschieden zu voll, um es wirklich schön dort zu finden. Aber der Park an sich hat auf jeden Fall was, vor allem wenn man bedenkt, dass er fast direkt im Stadtzentrum liegt. Jedenfalls war er für mich einladend genug, als dass ich mich auch dort ins saftige, grüne Gras gelegt, Sonne getankt und gelesen habe.

Gleich angrenzend an St. Stephens Green ist die Grafton Street, eine der bekanntesten Einkaufsstraßen Dublins (hab ich mir im Nachhinein von Paul sagen lassen). Und die hat für mich tatsächlich noch eine herrliche Überraschung bereitgehalten: einen Disney Store!
Ehrlicher Weise muss ich zugeben, dass es dort eigentlich nur Zeug gibt, dass niemand so wirklich gebrauchen kann. Trotzdem haben meine Augen mindestens so sehr gestrahlt wie die der Kinder, die dort herumliefen. Und die Disney-Lieder, die aus den Lautsprechern tönten, habe ich selbstverständlich unter meiner Maske auch stumm mitgesungen, während ich durch die drei (!) Etagen des Ladens schlenderte. Und ja, ich konnte es mir natürlich nicht nehmen lassen, wenigstens ein Teil aus der Sale-Ecke mitzunehmen...

Ein Traum wird wahr!

Dann zog es mich zu Murphy's Ice Cream, der laut Trip Advisor besten Eisdiele der Stadt. Zugegeben, die Leute waren super freundlich, das Eis gut und die Sorten recht außergewöhnlich - ich hatte z.B. Irish Brown Bread - aber ob es die 5€ für zwei (kleine) Kugeln wert ist, ich weiß nicht...
Egal, ich bin mit meinem Eis in der Hand jedenfalls noch ein wenig ziellos durch nette kleine Nebenstraßen gezogen und bin dann am Nachmittag wieder die Heimreise angetreten.


So viel zu den Fakten. Und sonst so?
Mhmm. Gestern habe ich festgestellt, dass es sich für mich irgendwie so anfühlt, als seien meine letzten Tage in MG, die letzten Treffen mit meinen Lieben, die Abschieds-Umarmungen... schon Wochen her. Auf der anderen Seite fühlt es sich nicht so an, als sei ich schon ewig hier. Es ist ja auch noch nicht allzu viel passiert. Ich weiß auch nicht.
Es ist nicht so, dass ich Heimweh habe. Nur hänge ich irgendwie gefühlt noch ziemlich zwischen den Welten. Ich habe noch immer nicht wirklich begriffen, was hier eigentlich gerade abgeht. Dass das hier jetzt erstmal mein Leben ist. Meine Stadt. Mein Job. Meine Kollegen*innen, Freunde*innen. Das ist einfach noch nicht angekommen bei mir. Und ich hab ein wenig Angst vor dem Moment, wo mich genau das einholt.
Auch was die Sprache angeht fühle ich mich ein bisschen zwischen den Welten, als könnte ich weder die eine noch die andere so recht. Tatsächlich denke ich (unbeabsichtigt) schon seit letztem Wochenende ziemlich häufig in Englisch. Was absurd ist, da ich sowohl beim Sprechen als auch beim Denken immer wieder feststellen muss, dass mein Englisch wirklich noch ausbaufähig ist. Üben konnte ich bisher auch gar nicht so viel, da ich sowohl hier beim Geschichten-Erzähler Paul als auch im Rahmen der Einarbeitung auf der Arbeit 90% der Zeit nur zuhören muss. Hinzu kommt, dass ein zweistündiges Meeting auf Deutsch stattgefunden hat und ich v.a. mit Sarah ständig ganz wild zwischen Deutsch und Englisch hin- und herwechsel, sowohl beim Schreiben als auch beim Reden. Das ist manchmal ganz schön verwirrend.
Und dann merke ich leider auch, wie ich mit Blick auf die Arbeit schon anfange, ungedulig zu werden. Das Projekt ist super komplex, da einfach sehr viele Abteilungen und entsprechend viele Prozesse involviert sind. Dass es also eine Zeit dauern würde, bis ich einen Durchblick habe, war absolut absehbar. Trotzdem gingen meine Gedanken am Freitag schon in die Richtung: "Na so langsam solltest du aber dazu imstande sein, mehr als 20% des Meetings inhaltlich folgen zu können." Puuuh. Naja, ich übe mich schon seit ein paar Monaten in Geduld mit mir selbst, da kann ich mich ja jetzt nochmal herausfordern.

So viel zu ein paar der vermeintlich dunklen Seiten meines Unterfangens hier. Irgendwie ist es mir wichtig, auch die nicht auszulassen. Denn ein solches "Abenteuer" - sei es Auslandssemster, der Camino oder eben eine kurzeitige Auswanderung - ist eben nicht immer nur toll und aufregend und spaßig. Ich finde, das sollte man nicht vergessen. Das gehört einfach dazu.
Bisher habe ich es aber auch in den zum Teil für mich sehr schwierigen Momenten ganz gut geschafft, den Weitblick nicht zu verlieren. Denn da bin ich mir dann doch wieder recht sicher:
Insgesamt werden das hier wundervolle 7,5 Monate mit vielen schönen und prägenden Erfahrungen =)



Gute Nacht, Welt!

PS: Für das kommende Wochenende ist Großes geplant - stay tuned!

 

Lied der Woche: Justin Bieber - Hold On